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Prof. Dr. Reinhard Lindig

Altenpflege: “burnout” - Ein Planspiel mit subjektiven Faktoren

1. Von der Notwendigkeit der Gestaltung subjektiver Faktoren in der Pflegearbeit

Pflegearbeit ist ein wichtiges Arbeitsfeld. 1995 gab es in Deutschland 10.291 Alten- und Behinderteneinrichtungen mit insgesamt 788.353 Plätzen. Zukünftig wird sich der Bedarf an Pflegeleistung noch erhöhen. Das steht u.a. im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung und der demographische Entwicklung. Diesen wachsenden Anforderungen an die Pflegenden stehen seit Jahren Missstände in den Arbeitsbedingungen der Pflegenden gegenüber. Nach außen werden dazu Diskussionen unter dem Stichwort "Pflegenotstand" geführt. Innerhalb der Pflegenden sind die konkret erlebten Belastungen und die damit verbundenen Beanspruchungen, sowie deren Abbau und Verhinderung die zentralen Themen.

Mit dem Burnout-Phänomen wird diese problematische Arbeitssituation in ihren Auswirkungen auf die Pflegenden beschrieben. Burnout bezeichnet ein Erschöpfungssyndrom. Dessen Kennzeichen sind emotionale Leere, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Antriebsschwäche und resignativer Verzicht auf Zielsetzungen.

Die Problemsituation im Pflegeberuf erfordert zu ihrer Lösung eine Vielfalt von Methoden zur Analyse, Bewertung und Gestaltung der Arbeitsverhältnisse. Das computergestützte Planspiel "burnout" ist dabei ein wichtiges Instrument zur beruflichen Bildung und Organisationsentwicklung. In diesem Planspiel werden wesentliche subjektive Seiten der Pflegearbeit analysiert, bewertet und als Modell gestaltet. Die dabei gewonnenen Erfahrungen sind eine Voraussetzung für die erfolgreiche Gestaltung der Wirklichkeit im Altenpflegeheim


2. Das Planspiel "burnout" und sein Ursprung in der Arbeitswelt

Ein computergestütztes Planspiel ist ein Element des Arbeitssystems. Es geht aus diesem hervor und seine Ergebnisse wirken auf die Arbeitstätigkeit zurück. Deshalb darf es nicht einseitig aus der pädagogischen Perspektive des Lernens und Bildens betrachtet werden.

Aktuelle Konzepte zur Re-Integration von Denken und Handeln sowie von Lernen und Arbeiten sind als Konsequenz des Zusammenhangs von Bildung und Arbeit zu sehen. Dementsprechend ist das computergestützte Planspiel ein Arbeitswerkzeug. Arbeitswerkzeuge dienen dazu, die Arbeit ausführbar zu machen bzw. die physische und/oder psychische Belastung in der Arbeit zu vermindern. Traditionell wurden Arbeitswerkzeuge entwickelt, um die physische Beanspruchung der Arbeitenden zu verringen.

Gegenwärtig nimmt die Bedeutung des subjektiven Faktors und damit die Verantwortung und Einflussnahme des Menschen auf die Arbeitsprozesse, deren Effektivität und Effizienz, zu. Die Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit, sein Wissen und Können bestimmen in zunehmender Weise das Arbeitsergebnis. Das ist in allen industriellen Bereichen zu beobachten.

Betrachte ich die Situation im Gesundheitssystem, dann zeigen sich die bisher skizzierten Konturen des subjektiven Faktors noch prägnanter.
 
Speziell für das hier behandelte Planspiel in der Altenpflege trifft das ebenso zu. Die Arbeitstätigkeit in der Altenpflege ist charakterisiert durch eine fortlaufende Interaktionen zwischen den Pflegenden und den Alten. Altenpflege ist also eine dialogische Tätigkeit zwischen Pflegenden und Gepflegten. Sie findet in der Regel unvermittelt zwischen den Personen statt. Das heißt, dass die Handelnden mit ihren psychischen und physischen Leistungsmerkmalen das wesentliche "Arbeitsinstrument" sind.

Selbstverständlich gibt es auch in der Altenpflege Arbeitsinstrumente, die körperliche Belastung verringern. Aber sie können nicht eingesetzt werden, um den Kernauftrag der Altenpflege zu erfüllen. Zur Erfüllung des Kernauftrages müssen subjektive Faktoren von beiden Seiten der dialogischen Tätigkeit "Pflege" eingebracht werden.

Betrachte ich ausgehend von diesen Überlegungen den Stand zur Entwicklung von computergestützten Arbeitswerkzeugen für die Erleichterung der interaktiven Arbeit, dann sieht die Bilanz nicht reichhaltig ist. Speziell der computergestützten Optimierung der dyadischen Interaktion wurde bisher noch nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. Hier setzt das Planspiel Altenpflege - burnout an.


3. Konstruktion und Durchführung des Planspiels "burnout"

Der mit Hilfe der Simulation erreichte Lerneffekt kann in einem Planspiel nur so gut sein, wie das dem Spiel zugrundeliegende Modell über die Wirklichkeit. Deshalb müssen die in den Modellen dargestellten Wechselwirkungen und Zusammenhänge valide sein. Zum anderen sind die Planspielergebnisse stets mit dem Geschehen in der Praxis abzugleichen um damit die Angemessenheit der Modelle zu prüfen.

Ein Modell ist einfach betrachtet ein analoger Ausschnitt aus der Realität. Bei diesem Planspiel ist es ein Ausschnitt aus der Realität eines Pflegeheimes. Modelle sind sowohl in der Wirklichkeit als auch im Planspiel eine Grundlage für die Handlungsplanung und -steuerung der Akteure.

Dem Planspiel "burnout" liegen zwei Modelle aus dem Alltag eines Pflegeheimes zugrunde:

Das erste Modell enthält ein Netz von Motivatoren und Stressoren im Helfersystem
   Altenpflege.
Im zweiten Modell wird dieses Netz um Lenkungsmaßnahmen in den Bereichen
   Personalmanagement, Heimmanagement und Organisationsentwicklung erweitert.

Das Netz von Stressoren und Motivatoren beinhaltet die folgenden Prozesse und psychischen Zustände:

1. Behinderung in der Pflegearbeit vs. Selbständigkeit in der Pflegearbeit
2. Einengung der Heimbewohner in der Lebensführung vs. Freiraum der Heimbewohner
   in der Lebensführung
3. Konflikte innerhalb des Pflegepersonals vs. Kooperation zwischen den Pflegenden
4. Konflikte der Heimbewohner mit dem Pflegepersonal vs. Kooperation zwischen
   Pflegenden und Heimbewohnern
5. Organisatorische Zwänge beim Umgang der Heimbewohner mit Pflegenden vs.
   Spielräume im Umgang der Heimbewohner mit Pflegenden
6. Isolation der Heimbewohner voneinander vs. Unterstützung der Heimbewohner
   untereinander
7. Konflikte der Heimbewohner mit ihren Angehörigen vs. Selbständiger Umgang der
   Heimbewohner mit den Angehörigen
8. Störungen im Umgang der Pflegenden mit den Angehörigen vs. Selbständige Arbeit
   der Pflegenden mit den Angehörigen

Die Stressoren und Motivatoren wurden aus empirischen Untersuchungen zu Belastung und Beanspruchung in der Pflegearbeit, u.a. aus der Untersuchung von Kruse und Schmitt (1999), abgeleitet. Ihre Gültigkeit wurde auch durch Befragungen des Pflegepersonals in Pflegeheimen bestätigt.

Mit dem Modell zu den Motivatoren/Stressoren wird das gesamte Helfersystem einschließlich der Geholfenen simuliert. Das Planspiel "burnout" simuliert die Pflegearbeit damit als interaktive Tätigkeit von Pflegenden und Gepflegten. Darin unterscheidet es sich von anderen Methoden der Bildung und Organisationsentwicklung, die primär auf die Beschäftigten ausgerichtet sind, z.B. in der Supervision.

Das Netz der Stressoren und Motivatoren wurde mit dem Netzmodellierer
Heraklit erstellt. Ballin erläutert im Textteil des Buches "Entwicklung von computerunterstützten kundenspezifischen Planspielen" das Vorgehen zur Netz- und Szenarienentwicklung ausführlich.

Das Planspiel "burnout" kann sowohl für das Individualtraining als auch für das Gruppentraining verwendet werden. Wenn ich im folgenden die Durchführung des Spiels für die Gruppe beschreibe, dann soll damit wieder der interaktive Aspekt der Pflegetätigkeit hervorgehoben werden. Dieses typische Charakteristikum der Pflegearbeit muss auch in allen Maßnahmen zur Bildung und Entwicklung der Beteiligten berücksichtigt werden. Die Simulation als Gruppenarbeit wird dem Anspruch gerecht.

Die Planspielgruppe hat die Aufgabe, überhöhte Beanspruchungen sowohl bei den Pflegenden als auch bei den Gepflegten zu verringern und zugleich Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Letzteres betrifft die individuelle Handlungsfähigkeit und die Kooperation zwischen Pflegenden und Gepflegten. Mit dieser Strategie kann das Burnout-Phänomen verhindert oder zumindest verringert werden.

Das Planspiel folgt in seinem Ablauf wiederkehrend den Schritten Analyse, Bewertung und Gestaltung. Dieser Zyklus wird solange wiederholt, bis der zu Beginn bestimmte Zustand des Helfersystems erreicht ist, oder im negativen Fall, wenn alle Ressourcen aufgebraucht sind.

In der Simulation treten Ereignisse aus dem Pflegealltag auf. Sie werden von der Planspielgruppe zu Beginn des Spieles für das simulierte Heim eingegeben. Gleichermaßen verfährt die Planspielgruppe mit den beabsichtigten Massnahmen in den Bereichen Personalmanagement, Heimmanagement und Organisationsentwicklung. Diese werden zu Beginn des Spieles von der Gruppe im Szenarienmanager des Planspiels fixiert.

Ich schildere den Einstieg in das Planspiel, um die spezifische Qualität dieses Spiels mit subjektiven Faktoren deutlich werden zu lassen. Die Planspielgruppe verständigen sich untereinander über die Bewertung der gegenwärtigen Situation im Heim. Sie bemühen sich, einen Konsens zum qualitativen Zustand der Motivatoren und Stressoren zu finden. Denn letztlich müssen für die Netzelemente Zustandswerte festgelegt werden. Dabei geht es um eine subjektive Entscheidung zu subjektiven Faktoren. Der Maßstab für die Einschätzung ist die individuelle Bedürfnis- und Einstellungsstruktur - die innere Position - der Gruppenmitglieder. Objektive Messinstrumente stehen nicht zur Verfügung.

Trotz dieser oder gerade aufgrund dieses ausschließlichen Anteils an Subjektivität in den Einschätzungen verhilft das Planspiel zu einer gültigen Einschätzung zu kommen und darüber hinausgehend zu den objektiven Erlebens- und Verhaltensgrundlagen vorzudringen.

Der Planspielmechanismus, der dies ermöglicht, besteht in folgendem:

Die Simulation erfolgt in Form von Regelkreisen. Die Lernenden in der Planspielgruppe sind angehalten, die Simulation Runde für Runde aufmerksam zu verfolgen, was zu einem Erkenntnisgewinn beim Einzelnen bezüglich der Veränderung der subjektiven Faktoren im Netz führt. Über diesen Mechanismus erfolgt auch eine Annäherung der inneren Position der Mitglieder der Planspielgruppe. Sie entwickelt eine gemeinsame Position zur Einschätzung der Situation und darüber hinaus zu den Möglichkeiten ihrer Veränderung. Durch die aktive Beteiligung der von den subjektiven Stressoren und Motivatoren real Betroffenen im Planspiel werden zusammen mit einem Erkenntnisgewinn auch die Voraussetzungen für ein gemeinsames Handeln zur Veränderung der Praxis geschaffen.

Dieser idealtypisch skizzierte Erkenntnis- und Verständigungsprozess in der Gruppe bedarf einer Anleitung durch einen Planspiel-Trainer. Seine Aufgabel besteht darin, die Planspielgruppe zur Kooperation zu führen. Für die Inhalte des Spiels ist allein die Gruppe verantwortlich.


4.Ziel des Einsatzes des Planspiels Altenpflege-burnout

Die Notwendigkeit, das Planspiel Altenpflege-burnout für Mitarbeiter von Pflege- und Altenheimen zu nutzen, ergibt sich aus der eingangs geschilderten Berufssituation der Pflegenden. Das Planspiel ist ein Analyse- und Gestaltungswerkzeug für das Erleben und Handeln in professionellen Helfersystemen. Es ermöglicht den Spielenden, Kompetenzen im Umgang mit einem komplexen System zu erwerben und diese zugleich für die praktische Gestaltung der eigenen Arbeit einzusetzen.


Weiterführende Literatur:

A. Kruse und E. Schmitt (1999): Konfliktsituationen in Alten- und Altenpflegeheimen. In: A. Zimber u. S. Weyerer (Hrsg.): Arbeitsbelastung in der Altenpflege. Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie


Verfasser:

Prof. Dr. Reinhard Lindig
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